Bad Kreuznach | Mitbestimmung hat gute Tradition in den Werkstätten

Foto: Stiftung kreuznacher diakonie/Andrea Djifroudi

BAD KREUZNACH/MEISENHEIM/KIRN/BAD SOBERNHEIM/ASBACHER HÜTTE. Sie  wollen nicht, dass über sie geredet wird, sondern mit ihnen. Das Thema Mitbestimmung ist in den sieben Werkstätten der Stiftung kreuznacher diakonie in aller Munde. Denn im Herbst wählen die Beschäftigten in Bad Kreuznach, Kirn, Meisenheim, Bad Sobernheim und auf der Asbacher Hütte ihre Werkstatträte und ihre Frauenbeauftragten – Menschen mit Beeinträchtigungen, die für ihre Kolleginnen und Kollegen da sind und auch für sie gegenüber der Politik, den Betriebsleitern, aber auch anderen Beschäftigten eintreten, wenn es Probleme und Ideen gibt.

Das Thema Mitbestimmung der Beschäftigten hat gute Tradition in den Werkstätten der Stiftung kreuznacher diakonie, die, wie viele andere Werkstätten, in diesem Jahr bundesweit ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Lange bevor der Gesetzgeber die Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung (WMVO) 2001 auf den Weg gebracht hat, konnten die Beschäftigten seit 1989 in den Werkstätten ihre Vertreter wählen. Bis heute sogar mehr, als die Gesetzeslage fordert. „Unsere Beschäftigten und unsere Mitarbeitenden arbeiten auf Augenhöhe miteinander, daher ist auch das Thema Mitbestimmung für uns eine Selbstverständlichkeit“, so Viktor Commichau und Sascha Richter, die zusammen den Bereich Arbeit & Qualifizierung der Behindertenhilfe leiten. „In der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Werkstatträte Rheinland-Pfalz, die 2010 gegründet wurde, waren gewählte VertreterInnen aus unseren Werkstätten Gründungsmitglieder“, so Annette Hövel, die dem Gesamtwerkstattrat als Unterstützerin zu Seite gestellt wird.

Frauenbeauftragte in jeder Werkstatt

Auch beim Thema Frauen-Beauftragte sind die Werkstätten der Stiftung vorbildlich. 1996 wurde im Schwerbehindertengesetz die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten durch Werkstatträte verankert, jedoch ohne detaillierte Regelungen. Erst 2001, mit dem Inkrafttreten des SGB IX, wurden die Mitwirkungsrechte der Werkstattbeschäftigten konkret geregelt - insbesondere die Wahl und Zusammensetzung von Werkstatträten sowie 2017 die Rolle der Frauenbeauftragten.

Die Neuwahlen sind zwar erst im November, aber schon jetzt laufen die Vorbereitungen. Denn nur wer als Wählerin oder Wähler gut über Rechte und über die zur Wahl stehenden Kandidatinnen, Kandidaten und deren Ziele informiert ist, kann für sich eine richtige Entscheidung treffen. Mit Unterstützung der Werkstattmitarbeitenden wird über die Aufgaben und Ziele der Werkstatträte und Frauenbeauftragten informiert. Und die haben in den vergangenen Jahren schon viel geleistet und erreicht – zum Wohl der Beschäftigten und für ein gemeinsames Miteinander. Aktuell sind die Werkstatträte im Gespräch mit der Bad Kreuznacher Lokalpolitik, um nach dem Abriss des Löwenstegs, einer wichtigen Fußgängerbrücke für Rollstuhlfahrer, wieder einen sicheren Zugang zur Innenstadt zu bekommen.

Mitbestimmung auch in der Politik

Die Frauenbeauftragten haben das Thema Gewalt gegen Frauen mit Beeinträchtigungen in diesem Jahr sichtbar gemacht. Beide Mitbestimmungsgremien beteiligen sich also intern wie außerhalb der Stiftung an wichtigen demokratischen Diskursen. Sie sprechen für sich selbst und treten für Inklusion, Sichtbarkeit und Vielfalt ein. Das sehen auch die anderen Beschäftigten und so lag die Beteiligung bei den letzten Wahlen bei mehr als 70 Prozent.

Das Vorbereitungsteam und die Kandidatinnen und Kandidaten der Werkstatträte und Frauenbeauftragten der Stiftung sind hoch engagiert, um die Wahlen vorzubereiten: Wahlplakate mit den Gesichtern der Kandidatinnen und Kandidaten sind in Vorbereitung - alles genau wie bei der Wahl zum Bundestag. In den kommenden Wochen und Monaten wird es noch eine Reihe von Info-Filmen und Veranstaltungen bis zur Wahl im November geben. Mitbestimmung ist ein wichtiger Teilabschnitt zu Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen. 2026 steht ein weiterer wichtiger Schritt dazu bevor. Der Gesetzgeber hat die Grundlage dafür gelegt, dass die Werkstattbeschäftigten dann - wie jeder andere Mitarbeitende mit Schwerbehinderten-Ausweis der Stiftung - an den Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung teilnehmen.

Michaela Seinsoth, Vorsitzende des Gesamtwerkstattrates, hat schon viel Erfahrung. Sie ist quasi eine „alte“ Kämpferin für die Mitbestimmungsrechte in den Werkstätten aber auch bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Sie wirbt dafür, mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen: „Jeder sollte wissen, wie vielfältig die Arbeit ist, was wir erreichen können, dass wir ein gutes Team sind und irre viel Spaß miteinander haben.“