Wenn eine Muffin-Backform an einem Eisengestänge plötzlich eine ganz neue Funktion als Halterung für Bälle bekommt oder Brillengläser mit Sensoren ausgestattet werden, die die Frequenz des Blinzelns ihrer Trägerin messen, dann kann man in Bad Kreuznach und Umgebung getrost davon ausgehen, dass hier die Tüftler der Beratungsstelle Unterstützte Kommunikation (BUK) der Stiftung kreuznacher diakonie am Werk waren. Seit nunmehr 30 Jahren gibt das erfahrene und eingespielte Team rund um Leiter Michael Wiertz (seit 26 Jahren in der BUK), Friedrich Dringelstein, Melanie Gundlach (28 Jahre in der BUK), Gabi Haas (27 Jahre in der BUK) und Thomas Meyer ihr Bestes, um Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Beim Tag der offenen Tür zum Jubiläum zeigten sie im Paulinum ihre Werkräume für Elektro, Holz und Metall, die entsprechenden Lagerräume sind extrem ordentlich und gut gefüllt.
Friedrich Dringelstein, der gerade für seinen seit 25 Jahren währenden Einsatz in der BUK geehrt wurde, hatte jahrzehntelang bei großen Computerfirmen im Frankfurter Raum gearbeitet und wurde dann arbeitslos. Ein Bekannter brachte ihn nach fünf Jahren Beschäftigungslosigkeit in die BUK – seitdem tüftelt er mit. „Ich hatte noch nie mit Menschen mit Behinderung gearbeitet. Aber wir haben uns angeschaut, was sie brauchen und welche Hilfsmittel ihnen schon zur Verfügung stehen. Manchmal standen da ganze Räume voll mit Geräten – es fehlte aber an der Möglichkeit, sie auch tatsächlich zu nutzen. Da waren wir dann gefragt“, erzählt er. Sensoren, Druckknöpfe, Schalter anbringen – und zwar exakt dort, wo sie gebraucht werden – das sind die täglichen Herausforderungen für die Tüftler. Und so findet sich eine Spiegelreflex-Kamera fest eingebaut in ein Metall-Gestell wieder, fährt auf dem Rollstuhl mit und der Fotograf kann den Auslöser mit Hilfe eines Buttons in der Nähe seines Kinns bedienen. Zoomen, Scharfstellen, Filmen – alles kein Problem.
Wie viele Gerätschaften er im Laufe der Jahre konstruiert hat, weiß Friedrich Dringelstein beim besten Willen nicht mehr und irgendwann hat er aufgehört, das zu dokumentieren – der Lagerplatz wird dringender gebraucht für Werkzeuge. In besonderer Erinnerung ist ihm ein „Fall“ geblieben: „Eine Professorin aus Tübingen war auf unsere Arbeit aufmerksam geworden und hat dafür gesorgt, dass eine Patientin aus Italien, die nach der Geburt ihres Kindes ins Wachkoma gefallen war, mit einem speziellen Wohnmobil zu uns gebracht wurde. Sie konnte nur noch das Lid eines Auges bewegen. Wir haben auf einem Brillengestell einen Helligkeitssensor angebracht, der die Bewegungen dieses Augenlides kontrollierte. Wenn sie bewusst länger geblinzelt hat, steuerte sie damit ein Sprachgerät. Ihre ersten Worte waren ein Dankeschön an uns auf englisch.“
Es sind oft nur ganz kleine technische Gerätschaften, die die Welt der Menschen mit Behinderung völlig verändern. Kleine, schwarze Kästchen, die so programmiert sind, dass ihre Nutzerinnen und Nutzer damit ihre konkreten Wünsche äußern können. „Wesentlich ist der Wille der Menschen, sich auszudrücken. Nur, wer auch wirklich erreichen will, dass man ihn versteht, kann das auch erreichen“, so die Erfahrung von Friedrich Dringelstein. Nebenan haben seine Kolleginnen gerade eindrucksvoll vorgeführt, dass es den Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen gelingt, durchaus auch komplexe Geschichten selbst zu erzählen. Tastenfelder, die mit Symbolbildern belegt sind, helfen bei der Beschreibung der handelnden Personen und ihrem Tun. Die Kolleginnen und Kollegen aus den übrigen Bereichen der Behindertenhilfe – aktuelle genau wie ehemalige – wissen das Engagement in der BUK sehr zu schätzen und zeigten ihre Verbundenheit mit einem Besuch. Auch der Landtagsabgeordnete Michael Simon (SPD) nutzte das Jubiläumsfest, um sich genauer über die Arbeit zu informieren.
Dabei genossen sie es sehr, sich bei dieser Gelegenheit mit den Gründern der BUK, Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann und Pit Staiger-Selzer, auszutauschen, die ebenfalls gekommen waren. Unter ihrer Ägide war die BUK zum Landesfachzentrum für Unterstützte Kommunikation aufgestiegen. Hier werden Mitarbeitende der Diakonie, anderer Einrichtungen, Eltern und Lehrer aus- und weitergebildet. Jedenfalls riss der Strom der Gäste den ganzen Tag über nicht ab und egal, ob drinnen oder draußen: Keiner konnte der Versuchung wiederstehen, selbst einmal auszuprobieren, wie die Geräte funktionieren. Sei es bei den Computer-Spielen, dem Ballspiel auf der Tischtennisplatte oder eben dem Erstellen einer eigenen Geschichte mit Hilfe der Symbol-Karten. „Hast du gesehen, wie fit der Elias ist im Gebärden? Das ist so toll!“, mit diesen Worten würdigte eine Mutter nach dem Auftritt des Gebärden-Chores einen der Jungen. „Eigentlich ist das ja ein ganz wilder – aber beim Gebärdensingen hat er am meisten mitgebärdet“, freute sie sich. Es sind solche Erfolge, die die Mitarbeitenden der BUK unter der Leitung von Philipp Gilcher dazu motivieren, sich – ähnlich wie die Mickey-Maus-Comicfigur Daniel Düsentrieb – immer wieder neue Möglichkeiten auszudenken, um Kommunikation möglich zu machen.
