Simmern | Techno, Bass und Blaulicht

Vier Mitarbeitende der Zentralen Notaufahme bereiten die Räume vor und räumen Material ein

Wenn sich Krankenhäuser in Deutschland mit dem Begriff „Massenanfall von Verletzten“ befassen, geht es meist um Szenarien, die überraschend eintreten und auf die sich das Personal nur bedingt vorbereiten kann. Doch jedes Jahr, Anfang August, herrscht ein geplanter Ausnahmezustand in den Diakonie Kliniken Hunsrück: Immer wenn auf der ehemaligen Raketenbasis Pydna bei Kastellaun das Musikfestival Nature One, eine der größten Techno-Veranstaltungen Europas mit rund 65.000 erwarteten Ravern, gefeiert wird, steigt nicht nur der Basspegel, sondern auch die Zahl der Notfälle im Krankenhaus spürbar an.

Großeinsatz mit Ansage
„Auf das Nature One-Wochenende bereiten wir uns wie auf einen Großeinsatz vor“, sagt die Ärztliche Leiterin der Zentralen Notaufnahme Dr. Stephanie Zang, die das Festivalgeschehen seit mehr als zehn Jahren innerklinisch kennt und begleitet. Was in der Pydna-Zone ausgelassen gefeiert wird, sorgt in Simmern für Hochbetrieb. Statt der regulären 60 bis 80 Notfälle werden dann pro Tag 100 bis 120 Notfälle erwartet, mit allem, was ein Festival mit sich bringt. Von Kreislaufzusammenbrüchen, allergischen Reaktionen und Schnittverletzungen über Stürze bis hin zu Drogenintoxikationen. „Besonders kritisch wird es, wenn wir nicht wissen, welche Substanzen konsumiert wurden. In solchen Fällen bleibt uns oft nur die stationäre Überwachung, nicht selten auch auf der Intensivstation“, berichtet die Notfallmedizinerin

Extra-Personal, Notfallpläne und Ersatzkleidung
Für die Tage vom 31. Juli bis 3. August wird das Team der Zentralen Notaufnahme (ZNA) personell aufgestockt, sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Dienst. Zusätzliche Unterstützung mit speziell geschultem Personal kommt aus der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Diakonie Kliniken, das im Umgang mit enthemmten oder aggressiven Personen Erfahrung mitbringt „Die Kolleginnen und Kollegen sind nicht nur im Gespräch mit Menschen in einer Ausnahmesituation erfahren, sondern auch Ansprechpartner für unser Team und daher eine große Entlastung“, erklärt Christian Weiler, stellv. Pflegerische Leitung in der ZNA. Mitarbeiter eines externen Sicherheitsdienstes sorgen zusätzlich für Schutz und Deeskalation.

Auch logistisch wird aufgerüstet: Infusionen, Verbandmaterial, Wundversorgungssets und Orthesen werden in großen Mengen bestellt. Selbst die Kleiderkammer des DRK, die sich auf dem Gelände der Klinik befindet, ist auf Stand-by – für Festivalbesucherinnen und -besucher, die durchnässt, verschmutzt oder nicht bekleidet eingeliefert werden. Dr. Stephanie Zang hat schon vieles in der Notaufnahme erlebt: „Die Nature One ist ein kunterbuntes Festival und genau so vielfältig sind die Menschen, die zu uns kommen“, erzählt sie schmunzelnd. „Da sehen wir jedes Jahr neue Styles, fantasievolle Kostüme – und manchmal auch gar nichts. Dann sind wir froh, dass wir Kleidung in allen Größen vorrätig haben.“

Das Festival feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen auf dem Hunsrück. Die Mitarbeitenden der Klinik sind also ein eingespieltes Team. Abläufe werden im Vorfeld noch einmal geschärft, Deeskalationsstrategien geübt und ein zweiter Bereich – eine vorab geräumte Station– zusätzlich für Festivalpatienten vorgehalten und personell besetzt, um eine schnelle Versorgung zu gewährleisten. Denn eines ist sicher: Die Zahl der Notfallpatienten wird an diesem Wochenende deutlich ansteigen und damit auch die Wartezeiten.

Entlastung durch das Rote Kreuz und trotzdem viel zu tun
Direkt auf dem Festivalgelände sorgt das Deutsche Rote Kreuz mit einem eigenen Medical Center und mehreren Hundert Einsatzkräften für die Erstversorgung. Kleinere Verletzungen, Kreislaufprobleme oder Unfälle auf dem Campingplatz werden dort direkt behandelt und entschieden, ob ein Transport in die Klinik nötig ist. „Das hilft enorm, aber es ändert nichts daran, dass es für uns ein Ausnahme-Wochenende wird“, so Zang.

Noch ein Festival und ein geschlossenes Krankenhaus
Zeitgleich zur Nature One zieht das „Lott-Festival“ Besucherinnen und Besucher in den Hunsrück. „Auch von dort erwarten wir zusätzliche Notfälle“, so Christian Weiler, denn das Krankenhaus im nahegelegenen Zell ist seit kurzem geschlossen. Doch trotz der Belastung bleibt die Stimmung in Simmern professionell und lösungsorientiert: „Wir sind vorbereitet – medizinisch, logistisch und personell. Wir wissen, dass es intensiv wird. Aber wir wissen auch, was zu tun ist.“

Die Mitarbeitenden der Notaufnahme wünschen allen Festivalbesuchern eine unbeschwerte Zeit im schönen Hunsrück. Zugleich erinnern Sie daran, achtsam mit sich umzugehen: „Kenne Dein Limit“, damit aus ausgelassener Feierstimmung nicht plötzlich bitterer Ernst wird.

Was nach Techno, Bass und Blaulicht bleibt? Hoffentlich ein fröhliches Festival- Wochenende, das zeigt, wie wichtig Teamgeist, Vorbereitung, Professionalität und ein starkes Team in der Notaufnahme und vor Ort sind – vor allem dann, wenn draußen Raveline tobt.