„Jugendliche schlagen Obdachlosen in Bad Kreuznacher Fußgängerzone“: Diese und andere Schlagzeilen der vergangenen Wochen haben bei der Wohnungslosenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie in Bad Kreuznach großes Entsetzen ausgelöst. Bislang waren solche brutalen, Menschen verachtenden und abwertenden Übergriffe nur aus größeren Städten bekannt. „Wir dürfen hier nicht wegsehen“, erklärt Diakon Heiner Trauthig, Einrichtungsleitung der Wohnungslosenhilfe auf der Eremitage in Bretzenheim. „Das Leben ohne Wohnung bedeutet eine fundamentale Form der sozialen Ausgrenzung.“ Die Experten der Stiftung fordern, mit Zivilcourage einer wachsenden Abwertung gegen wohnungslose Männer und Frauen entgegenzutreten.
Menschen, die auf Straßen und Plätzen leben, haben ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden und viele der Betroffenen haben bereits Gewalterfahrung. Das betrifft insbesondere Frauen, bei denen Gewalt oftmals die Ursache ihrer Wohnungslosigkeiten ist. „Aus Scham schweigen viele Betroffene darüber“, erklärt Doris Häfner-Kairo, Einrichtungsleiterin in Bad Kreuznach und verantwortlich für das Café Bunt, eine Einrichtung speziell für Frauen in Not. Die Gewalt gegen Obdachlose ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, wie der Polizeistatistik zu entnehmen ist. „Dabei dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen“, so die Sozialpädagogin.
Bei der Gewalt gegen Menschen ohne Wohnung handelt es sich nicht nur um ein individuelles Verbrechen; es spiegelt gleichzeitig ein Wegsehen der Gesellschaft wieder. Viele wünschen sich, dass die Menschen gänzlich aus unseren Städten verschwinden. Das aber wird nicht geschehen, jeder Mensch hat das Recht auf eine Teilhabe am öffentlichen Raum. „Wir alle sind aufgerufen, Zivilcourage zu zeigen, nicht wegzuschauen, sondern umgehend den Notruf oder die Polizei zu verständigen“, sind sich die beiden Fachleute für die Wohnungslosenhilfe einig. Häufig hilft es auch eigene Rollenmuster zu überdenken: „Meistens wird doch einem Mann im Anzug eher geholfen als einem Menschen in verschmutzter Kleidung und verwahrlostem Zustand.“
