Bad Kreuznach | Beim „Schichtwechsel“ gewinnen alle neue Perspektiven

Foto: Stiftung kreuznacher diakonie/Andrea Djifroudi

BAD KREUZNACH. „Schichtwechsel“ heißt der bundesweite Aktionstag der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. An diesem Tag können Mitarbeitende aus Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes Werkstätten und Tagesförderstätten kennenlernen. Umgekehrt lernen Menschen mit Behinderungen aus den Werkstätten ein Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes näher kennen. Auch bei der Stiftung kreuznacher diakonie hieß es Schichtwechsel: Michaela Seinsoth, die in der Werkstatt KH1 arbeitet und sich in den verschiedensten Mitbestimmungsgremien der Behindertenhilfe engagiert, tauschte mit Simone Gehres von der Agentur für Arbeit Bad Kreuznach einen Tag lang die Rolle – für beide eine spannende Erfahrung.

„Die Aktion „Schichtwechsel“ ist eine schöne Sache. Dass die Arbeitsagentur Bad Kreuznach mitmacht, ist ein tolles Zeichen“, sagt Michaela Seinsoth, die schon immer mal einen solchen Tausch machen wollte. Über das verbindende Thema Arbeit schafft der bundesweite Aktionstag „Schichtwechsel“ Raum für Begegnungen und für neue Perspektiven und hilft, Vorurteile und Klischees abzubauen. Auch die Beschäftigte aus der Werkstatt in Bad Kreuznach hat eine Mission: „Viele denken, dass wir eine Art Bastelstube sind. Dabei wird – in einem geschützten Rahmen - durchaus professionelle Arbeit geleistet“, so Seinsoth. Die Arbeitsagentur finanziert einen Teil der Integrationsmaßnahmen – in den Werkstätten, aber auch in Betrieben und Institutionen. Seinsoth: „Deshalb finde ich es wichtig, dass Frau Gehres auch sieht, wie wir arbeiten und welche Herausforderungen wir als Menschen mit Beeinträchtigungen haben.“ Unabhängig davon wünscht sie sich, dass Firmen und Institutionen mehr und regelmäßig für solche „Tausch-Aktionen“ offen sind.

Simone Gehres ist Fachkraft für Sachbearbeitung berufliche Rehabilitation und Teilhabe. Die 48-Jährige kümmert sich darum, dass Menschen mit Behinderung an Maßnahmen teilnehmen oder in einer Werkstatt arbeiten können. Anträge auf Zuschüsse und Prämien für Aus- und Weiterbildungen bearbeitet sie in ihrem Arbeitsalltag.

Auch die Finanzierung von technischen Arbeitshilfen und Hilfsmitteln im Allgemeinen gehört zu ihren Aufgaben, was mit einem großen Aufwand an Schriftverkehr und Dokumentation verbunden ist. Sie freut sich über die Begegnung mit den Menschen in der Werkstatt: „Den Einblick in die Abläufe und die verschiedenen Arbeitsbereiche finde ich spannend, weil ich die Perspektive wechseln und davon bei meiner täglichen Arbeit profitieren kann.“ Wertschätzung der Arbeit des jeweils anderen ist für Frau Gehres das Wichtigste an der Aktion. Ihr Fazit: „Für mich bleibt ein wertvoller Eindruck zurück: Integration ins Arbeitsleben ist nicht nur wichtig, sondern bereichernd – für alle Beteiligten.“

Michaela Seinsoth weiß, dass es immer wieder Kritik an den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen gibt und es aus der Politik Bestrebungen gibt, die Werkstätten abzuschaffen. „Aber für viele Menschen in den Werkstätten passt das nicht. Sie brauchen den geschützten Rahmen. Hier kann man auf sie individuell eingehen.“ Sie selbst macht gerne den Sprung in die freie Arbeitswelt – zumindest für diesen Tag des „Schichtwechsels“. Denn sie will auch weiter in den Mitbestimmungsgremien für Menschen mit Behinderungen aktiv sein und ihre Anliegen auch in der Politik vertreten.

Den „Schichtwechsel“-Tag verbringt Michaela Seinsoth, die normalerweise in der Montagegruppe von KH 1 arbeitet, am Empfang der Agentur für Arbeit in Bad Kreuznach. Ihr erstes Fazit: „Es stärkt in jedem Fall das Selbstbewusstsein, sich auch einmal außerhalb der Werkstatt unter Beweis zu stellen.